Antastbare Menschenwürde
Was wäre, wenn sich Lücken auftun in unserem Grundgesetz, wenn Vereinbarungen fehlen und Wertesysteme zusammenfallen? Wer garantiert Werte, wenn nicht jeder und jede Einzelne dafür einsteht?
Beim Bundestreffen der Geistlichen Leitungen und Präsides in Frankfurt prangt gegenüber des Kolpinghotels am Bauzaun des Nachbarhauses in großen Buchstaben der Schriftzug: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. An einer Stelle ist der Bauzaun derzeit unterbrochen und macht eine Lücke frei, so dass übrigbleibt: „Die Würde des Menschen is antastbar“.
So schnell kann es gehen, denke ich mir, eine Lücke entsteht und dieser weitreichende Satz wird ins Gegenteil gewendet.
Ich sitze im Zug und denke darüber nach, wo in unserem Wertesystem Lücken zu Tage treten oder sich Baustellen auftun können? Mir fallen Situationen ein, wo sich Menschen über andere erheben, weil sie anscheinend klüger oder erfolgreicher sind als andere. Oder aus Ländern kommen, die ihnen offensichtlich mehr Würde zusprechen als anderen Menschen. Auch in der Kirche laufe ich Gefahr, durch mein Amt mich gegenüber anderen Menschen höher gestellt zu fühlen, schließlich wird mir bei den meisten öffentlichen Veranstaltungen ein Ehrenplatz zugewiesen.
Eine Lücke entsteht auch dort, wo die Verständigung darüber fehlt, das das Grundgesetzt allen Menschen in gleicher Weise gilt. Wo werden diese Werte gelehrt, gelernt und gelebt?
Jeder und jede einzelne ist verantwortlich für die Einhaltung von Werten, die unsere Gesellschaft stützen und menschlich erhalten. Und von Zeit zu Zeit lohnt sich die Reflexion darüber, wie es sich für mich anfühlen würde, wenn ich für unwert erklärt und meine Würde mit Füßen getreten würde. Auch da kennt die Bibel eine Regel: „Was Du von anderen erwartest, das tu ebenso auch ihnen.“


